Verwaltungsauffassung bei Totalverlust
Kommt es wegen Insolvenz einer börsennotierten Aktiengesellschaft beim Anleger zu einem Totalverlust, erkennt die Finanzverwaltung diesen Totalverlust regelmäßig nicht an. Begründung: Ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz-EStG) würde eine entgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern voraussetzen. Und weil bei einer ersatzlosen Ausbuchung von Anteilen insolventer Aktiengesellschaften regelmäßig kein Entgelt mehr fließt, liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung kein Veräußerungsgeschäft vor. Folge: Anleger bleiben auf Totalverlusten regelmäßig sitzen.
BFH- und Finanzgericht-Rechtsprechung
Sowohl der Bundesfinanzhof (BFH) als auch diverse Finanzgerichte folgten der Auffassung der Finanzverwaltung jedoch nicht. Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz gab im Urteil v. 12.12.2018 (Az. 2 K 1952/16) einem Anleger recht und erkannte die ersatzlose Ausbuchung von wertlos gewordenen Aktien aus einem Depot als einen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG zu berücksichtigenden Verlust aus Kapitalvermögen an. Nach dieser Vorschrift gilt auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder die verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft als Veräußerung. Das FG wertete den Ausfall einer Aktie als „ausbleibende“ Rückzahlung i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Die Entscheidung entspricht dem Tenor des Bundesfinanzhofs in dem Urteil v. 24.10.2017 VIII R 13/15.
Gesetzesänderung geplant
Mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften („Jahressteuergesetz 2019“) soll die genannte Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG um einen neuen Satz 3 ergänzt werden. Gemäß dem Satz 3 sollen entstandene Verluste durch den Ausfall einer Kapitalforderung oder die Ausbuchung einer wertlosen Aktie sowie allgemein die Veräußerung von wertlosen Wirtschaftsgütern als steuerlich unbeachtlich behandelt werden. Die Neuregelung soll für alle Veräußerungen nach dem 31.12.2019 gelten. Daher sollten Verluste aus der Veräußerung von wertlosen Aktien (Totalverluste) oder Verluste aus dem wertlosen Verfall von Optionen im Privatvermögen noch bis Jahresende realisiert werden. Der Verlust muss nach der Ausbuchung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung geltend gemacht werden, da inländische Depotbanken die Auffassung der Finanzverwaltung vertreten und solche Verluste im Verlustverrechnungstopf nicht abgeltungssteuermindernd verrechnen.
Stand: 28. Oktober 2019